H. Früh: Das Panorama der Murtenschlacht

Titel
Das Panorama der Murtenschlacht / Le panorama de la bataille de Morat.


Autor(en)
Früh, Hans Rudolf et al.
Erschienen
Freiburg 2001: Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Franziska Vassella

Ein Publikumsmagnet der Expo02 war zweifellos der Monolith von Jean Nouvel im Murtensee: Klaglos wurden lange Wartezeiten ausgestanden, um im Innern einen Blick auf das Schlachtpanorama zu werfen. Das Panorama, eine Mischung aus Kunst, Massenkultur und Unterhaltung, ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts. Erfunden 1787 als Rundbild ohne Grenzen, erlebte es seine Triumphzeit zwischen 1880 und 1900. Mit dem Aufkommen des Kinos und des Tourismus, die seine Themen übernahmen, war das Panoramabild aus der Mode und damit zum Verschwinden verurteilt. Dass es nun im Sommer 2002 zum viel besuchten und diskutierten Ausstellungsteil geworden ist, grenzt an ein kleines kulturhistorisches Wunder. Das gigantische Rundgemälde von rund 1000 Quadratmeter Fläche wurde 1893/94 in München vom prominentesten deutschen Panoramenmaler Louis Braun gemalt und ab 1894 am Utoquai in Zürich gezeigt. Seit 1924 lagerte das Panorama in drei grossen Rollen im Werkhof der Stadt Murten, die Zukunft des Rundgemäldes war ungewiss, Versuche zur Rettung scheiterten mehrfach. 1996 wurde die «Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten» gegründet mit dem Ziel, das Gemälde zu konservieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Chance bot sich dank der Landesausstellung. Innerhalb eines Jahres wurde das Gemälde mit einem Kostenaufwand von zwei Millionen Franken konserviert und restauriert und erstrahlt nun in frischem Glanz. Künstlerische Qualität und die Bedeutung des Themas zeichnen das Werk aus; zudem ist es das einzige Panorama mit einem Thema aus der älteren Schweizergeschichte und eines der wenigen Rundgemälde mit historischer Schlachtdarstellung.

Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen sind im vorliegenden Band publik gemacht und erlauben eine facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Beiträge der Autoren setzen sich mit den Burgunderkriegen und der Murtenschlacht von 1476 auseinander, untersuchen das Phänomen Grossbildpanorama und dokumentieren als Schwerpunkt die künstlerische und technische Entstehungsgeschichte des Murtenpanoramas.

Die historische Murtenschlacht fand am 22. Juni 1476 statt. Die Auswirkungen des Schlachtausgangs auf die europäische Geschichte untersucht Hans Joachim Schmidt, Hans Rudolph Fuhrer und Benjamin Geiger analysieren aus militärhistorischer Sicht die Kampfhandlungen. Ins 19. Jahrhundert führen uns die Beiträge, die sich mit der Form der Präsentation der Schlachtendarstellung, nämlich dem Panorama, beschäftigen. Aloys Lauper zeichnet die historische Entwicklung des Panoramabildes zum Phänomen des 19. Jahrhunderts auf, Erasmus Weddingen reflektiert die daraus resultierende Sichtweise.

Die eingehende Untersuchung der Leinwand vor und während der Restaurierung ergab neue Erkenntnisse zur Auftrags- und Werkgeschichte. Volker Schaible präsentiert den deutschen Historien- und Schlachtenmaler Louis Braun und dessen Atelier in München. In knapp zehn Monaten waren fast 1000 Quadratmeter Leinwand zur Murtenschlacht zu bemalen. Das Unternehmen liess sich nur realisieren dank der Zusammenarbeit Brauns mit einem spezialisierten Stab von Mitarbeitern. Der Blick in die Malerwerkstatt wird vertieft durch die Beiträge von Hermann Schöpfer: Wie arbeitete der Maler Braun, um dem Schlachtgeschehen die gewünschte historische Authentizität zu verleihen? Für die Landschaftsdarstellung stellten sich ähnliche Probleme: Welcher Standpunkt kam für den zukünftigen Panoramabetrachter in Frage, aus welcher Perspektive sollte die Stadt Murten gezeigt werden? Ein Beitrag zur korrekten Anwendung der Heraldik im Schlachtfeld – Fehler und Ungenauigkeiten in der Wappendarstellung fielen dem Publikum im 19. Jahrhundert auf – rundet die Untersuchung ab.

Die Chance, das Panoramabild von Murten während der Restaurierung eingehend zu untersuchen und zu dokumentieren, war einmalig. Die entstandenen Beiträge liefern wertvolle Einblicke in die Werkstatt. Die hervorragenden Illustrationen dokumentieren die historischen Arbeitsbedingungen und geben Einblicke in die modernsten Restaurierungsmethoden. Die Texte sind in Deutsch und Französisch geschrieben, die Übersetzungen sind jeweils in Form einer kurzen Zusammenfassung angefügt. Die geringfügigen Überschneidungen, welche sich angesichts der Breite des behandelten Materials durch verschiedene Spezialisten ergaben, waren nicht zu vermeiden, erschliessen sich jedoch nur dem zweisprachigen Leser. Der ausführliche Anhang mit Zeittafel, Chronologie der Entstehungsgeschichte und der Biografie ist eine wertvolle Ergänzung zu den detaillierten Forschungsberichten. Besonders hervorzuheben ist die Beilage in Leporelloform, welche das Murtenschlachtpanorama in seiner gesamten Darstellung zeigt. Wappen, Orte und Personen lassen sich durch die am untern Bildrand angefügte Legende entziffern.

Die Vielfalt der Beiträge richtet sich sowohl an ein Fachpublikum wie an eine breiter orientierte Leserschaft. Die ausgezeichneten Einblicke in die Werkentstehung und die dokumentierten Restaurierungsarbeiten dürften den Band zu einem Standardwerk der bisher eher raren kunsthistorischen Panoramaliteratur machen.

«Wer also eine Schlacht mit den alten Eidgenossen leibhaftig mitmachen will, gehe in’s Züricher Panorama», so empfahl ein Zeitgenosse den Besuch des Panoramabildes. Inwieweit wir in Zukunft mit den alten Eidgenossen kämpfen können, ist noch ungewiss; trotz des Publikumserfolgs an der Expo02 muss über das Schicksal, das heisst über einen definitiven Standort, des Murtener Panoramas noch verhandelt werden.

Zitierweise:
Robert Barth: Rezension zu: Früh, Hans Rudolf et al.: Das Panorama der Murtenschlacht / Le panorama de la bataille de Morat, Freiburg, Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten, 2002. 160 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 65, Nr. 4, Bern 2003, S. 220f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 65, Nr. 4, Bern 2003, S. 220f.

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